MS: Der Befund

Saskia, MS-Patientin

Geschätzte Leserinnen und Leser, ich habe das Privileg, hier mit Ihnen meine Erfahrungen, Erlebnisse und Gedanken zum Thema „Multiple Sklerose“ aus meiner Sicht als Patientin teilen zu dürfen. In diesem Beitrag lesen Sie, wie ich von der Krankheit erfahren habe und, wie ich diesen Tag erlebt habe:

Der Befund

Am Abend desselben Tages (der Tag, an dem ich in der Röhre lag) kommt plötzlich ein Mail. Das Handy zeigt es an. Ich öffne es und lese es mir mal durch. Viele Fragezeichen tauchen in meinem Kopf auf. Ich zeige meinem Freund dieses Mail und schweigend fangen wir beide an, gewisse Begriffe im Internet zu recherchieren: „Plaquebildung“, „KM-Enhancement“, „chronisch demyelinisierende Erkrankung“? Gehört das zur Allgemeinbildung?

„Hoch suspekt“ wiederum klingt selbst hoch suspekt.

Ich kontaktiere meine beste Freundin, die Tochter einer Medizinerin ist, und möchte so dieses rätselhafte Schreiben lösen. Mein Freund und ich schweigen uns lieber an. Meine Freundin bzw. deren Mutter versuchen, mich ganz vorsichtig auf die zwei Buchstaben vorzubereiten: M und S. Multiple Sklerose. Eine Krankheit, die mir nicht unbekannt ist. Auch mein Onkel leidet darunter. Und er litt auch unter den Therapien. Für ihn muss die Krankheit eine einzige Tortur sein, aber dennoch hat sich der Kern seiner positiven Persönlichkeit nie verändert. Äußerlich hat sich allerdings viel verändert.

MS also… Noch ist es ja nicht offiziell. Und noch bin ich gefasst. Es ist alles nicht so schlimm. Ich habe keine Schwierigkeiten beim Gehen. Es ist lediglich ein Kribbeln.

Das Gespräch mit der Neurologin

Am nächsten Tag habe ich einen Termin bei der Neurologin, die mir auch die Überweisung zu dem MRT gegeben hat. Ich zeige ihr die Bilder und den kryptischen Text. Es dauert nicht lange, da bestätigt sie die Befürchtung vom Vortag. Sie meint, der Befund spreche für MS. Gleichzeitig würde hier aber unsere Arzt-Patienten-Bekanntschaft enden, denn sie sei dafür keine Spezialistin. Stattdessen gibt sie mir eine Liste mit Ärzten, die sich darauf konzentriert hätten. In der Zwischenzeit fließen mir schon die Tränen über die Wangen. Auch wenn ich es gestern schon vermutet habe, auch wenn es nicht völlig aus dem Nichts gekommen ist, auch wenn mir die Krankheit nicht fremd ist, so ist es nochmals etwas ganz Anderes, es aus dem Mund einer ausgebildeten Neurologin zu hören. Von einer Ärztin, für die diese Begriffe kein Rätsel darstellen. Diese Person versichert mir, dass ich diese Krankheit in mir trage. Ich, noch keine 30 Jahre alt, habe eine unheilbare Krankheit. Keine tödliche, aber unheilbar.

Beste Freundin

Ich habe mit meiner besten Freundin ein Treffen nach diesem Arzttermin vereinbart, um die Diagnose zu besprechen, aber auch einfach, um sie zu sehen. Als ich die Praxis verlasse, kann ich sie nicht sofort ausfindig machen, obwohl ich weiß, dass sie in der Nähe sein muss. Also rufe ich sie an, aber kaum habe ich mein Handy gezückt, sehe ich sie auch schon um die Ecke gehen. Wir gehen aufeinander zu und ich umarme sie ganz fest und weine. Ich muss nichts sagen und sie hütet sich davor, Fragen zu stellen oder etwas zu sagen. Meine Tränen erzählen bereits alles Erlebte und ihre Umarmung ist Antwort und Trost.

Nachdem ihre Nähe mich genug beruhigt hat, spazieren wir durch die Großstadt und scherzen trotz der Diagnose wie auch vor der Diagnose. Es tut gut, eine Verbündete und Eingeweihte zu haben. Meine Freundin lässt sich nicht erschüttern und gibt mir in diesem Moment genau das, was ich brauche: Einen Menschen, der mir zuhört, der mit mir scherzt, der alles ernst nimmt und gleichzeitig alles locker sieht. Ich werde ihr für diesen Nachmittag und für ihren Beistand mein Leben lang dankbar sein.

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